Hund | Wild | Wald - Info-App

Tierschutzkonforme Hundeerziehung

Es wird viel geredet über artgerechte Tierhaltung oder artgerechte Hundeerziehung. Dabei wird gerne übersehen, dass "artgerecht" keineswegs immer gleichbedeutend mir "tierschutzkonform" ist. Denn artgerecht sind auch Schmerzen, Leid und Schäden, die ein Tier in Freiheit erdulden muss. Ein Tier nämlich, das in einem artgerechten Rivalenkampf oder bei der Jagd auf ein wehrhaftes Beutetier verletzt wird, hat definitiv einen Schaden erlitten und leidet unter den Schmerzen.

Das Tierschutzgesetz, dem wir als Tierhalter gesetzlich verpflichtet sind, verlangt aber in § 1:

"Zweck dieses Gesetzes ist es, aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen. Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen."

Das Tierschutzgesetz schützt das Tier also recht weitgehend. Es gilt, ein Tier nicht nur vor Schmerz, Leid und Schäden zu bewahren, sondern auch sein Wohlbefinden zu erhalten. Doch was genau bedeutet "Wohlbefinden", "Schmerz", "Leid" und "Schäden" im juristischen Sinne dieses Gesetzes?

Zum Glück haben sich schon einige schlaue Menschen Gedanken darüber gemacht, es herrscht sogar weitgehende juristische Einigkeit über die Definition dieser Begriffe.

Wohlbefinden:
Unter Wohlbefinden wird nach Lorz / Metzger (1999) ein Zustand physischer und psychischer Harmonie des Tieres in sich und -entsprechend seinen angeborenen Lebensbedürfnissen- mit der Umwelt verstanden. Regelmäßige Anzeichen von Wohlbefinden sind „Gesundheit“ und ein natürliches, in jeder Beziehung der jeweiligen Tierart „entsprechendes Verhalten“.
(www.ag-wolfrum.bio.uni-mainz.de/Dateien/Vorl9-Schmerzen-Leiden-Schaden.pdf)

Schmerz:
"Schmerz ist eine unangenehme sensorische und emotionale Erfahrung, die im Zusammenhang steht mit tatsächlicher oder potentieller Schädigung oder in Form einer solchen Schädigung beschrieben wird."
(International Association for the Study of Pain (1979))

Leiden:
„Leiden sind alle nicht bereits vom Begriff des Schmerzes umfassten Beeinträchtigungen im Wohlbefinden, die über ein schlichtes Unbehagen hinausgehen und eine nicht ganz unwesentliche Zeitspanne fortdauern.“
(Definition des Bundesgerichtshofes)

Schäden:
"Nach Lorz / Metzger (1999) liegt ein Schaden dann vor, wenn der körperliche oder geistige Zustand eines Tieres vorübergehend oder dauernd negativ beeinflusst wird. Schaden ist somit jede Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Unversehrtheit. Lorz / Metzger (1999) geben folgende Beispiele für Schäden: Abmagerung, Übergewicht, Amputation, Verletzung, Störung der Bewegungsfähigkeit, Störung des Verhaltens, Gesundheitsschäden, Gleichgewichtsstörung, reduzierte Leistungsfähigkeit, Unfruchtbarkeit, etc."
(www.ag-wolfrum.bio.uni-mainz.de/Dateien/Vorl9-Schmerzen-Leiden-Schaden.pdf)

Diese Definitionen helfen uns schon ein gutes Stück weiter, wenn es darum geht, den Willen des Tierschutzgesetzes zu verstehen. Aber was verbirgt sich denn hinter dem "vernünftigen Grund", den das Tierschutzgesetz quasi als Hintertür offenlässt? Ohne "vernünftigen Grund" darf ich einem Tier  keine Schmerzen, Leid und Schäden zufügen. Mit "vernünftigem Grund" darf ich es dann aber doch? An dieser Stelle wird es nun sehr schwierig. Das Gesetz bestimmt in manchen Bereichen sehr konkret, was erlaubt ist, obwohl es Schmerzen, Leiden oder Schäden hervorruft. Jedoch werden nicht alle denkbaren Sachverhalte abschließend geregelt. Damit es für uns als Hundehalter nicht zu kompliziert wird, sollten wir uns auf das konzentrieren, was nach allgemeiner Lebenserfahrung für einen Durchschnittsmenschen mit Durchschnittshund überhaupt relevant sein kann.

Ein sogenannter vernünftiger Grund liegt in der Regel vor

  • bei notwendiger oder zumindest sinnvoller medizinischer Behandlung
  • zum Schutz des Menschen vor dem Tier
  • zum Schutz des Tieres vor ernsthaften Gefahren
  • zur Ermöglichung der Haltung des Tieres

Doch welche Regeln gelten für die Erziehung des Hundes? Dienen Tritte oder Schläge vielleicht dazu, die weitere Haltung des Tieres zu ermöglichen? Wären sie damit nach dem Gesetz erlaubt? Wie verhält es sich mit Stachelhalsbändern, Elektrohalsbändern und ähnlichen Hilfsmitteln? Schwierige Fragen für Sie als Hundehalter und für mich als derjenige, der Sie in der Erziehung Ihres Hundes anleiten soll.

[Da wir hier über die tierschutzkonforme Erziehung des Hundes reden, sei der Hinweis erlaubt, dass es sich bei der Ausbildung eines Hundes eventuell etwas anders darstellen könnte. Weil ich aber weder Hunde ausbilde, noch Hundehalter zur Ausbildung ihrer Hunde anleite, will ich zu diesem Thema nichts sagen.]

Definitiv verboten ist die Verwendung von Geräten, die mittels Stromeinwirkung den Hund in seinem Verhalten beeinflussen können oder sollen. Unter den Bezeichnungen "Teletakt", "Ferntrainer", "Elektrotacker" oder "Elektrohalsband" sind solche Geräte in Deutschland bekannt und dürfen frei verkauft werden. Die Anwendung ist jedoch verboten. Es handelt sich um ein Totalverbot ohne jede Ausnahme. Kein "vernünftiger Grund" rechtfertigt die Verwendung. Gegen das Verbot wurde bereits durch alle Instanzen vergeblich geklagt, wodurch die Rechtslage eindeutig ist. Selbst Behörden wie Polizei, Zoll oder Bundeswehr dürfen ihre Diensthunde nicht mehr mit solchen Geräten ausbilden.

Weniger klar ist die Rechtslage bei anderen Zubehörteilen, die mittels Zwang oder Schmerz das Tier "erziehen" sollen. Die Benutzung von Stachel- und Würgehalsbänder oder Geschirren mit schmerzhafter Zugwirkung unter den Achseln ist nicht ausdrücklich verboten, aber unterliegt zumindest dem Vorbehalt "vernünftiger Grund". Als Hundeführer begäbe man sich mit diesen "Erziehungshilfen" auf rechtlich sehr dünnes Eis! In meiner Hundeschule gibt es sowas nicht, weil ich weder von der Sinnhaftigkeit noch der tierschutzrechtlichen Vertretbarkeit solcher "Erziehungshilfen" überzeugt bin. Glauben Sie jetzt bitte einfach mal einem erfahrenen Hundeführer, ohne irgendwelche komplizierten Spezial-Sachverhalte zu ersinnen, in denen ein Stachelhalsband vielleicht, unter Umständen oder eventuell doch mal hilfreich sein könnte. Vergessen Sie diesen Kram! Bringt nix, außer Ärger.

Vollends kompliziert wird die Rechtslage dann bei der Anwendung von körperlichem Zwang ohne spezielle Hilfsmittel oder beim Einsatz psychischen Drucks. Denn hier müssen die Maßnahme und ihr Ziel in einem vernünftigen Verhältnis zueinander stehen. So wurde es von bekannten Hundetrainern lange empfohlen, bockige Hunde mit Schmackes auf den Rücken zu werfen oder Welpen am Nackenfell zu packen und ordentlich durchzuschütteln. Mittlerweile sehen das die meisten Trainer zum Glück etwas kritischer und differenzierter. Denn zum Einen sind die meisten Hundehalter nicht willens oder in der Lage, einen solchen martialischen Auftritt überzeugend darzustellen, andererseits zeigte sich aber auch, dass die dem zugrunde liegende Grundidee ("das machen die Hunde untereinander auch, um sich zu maßregeln") so nicht ganz richtig ist. 

Gleichwohl kann ein bewusst und gekonnt eingesetzter Stupser, Stoß oder Leinenruck einem Hund so einiges klarmachen. Aber es gibt Voraussetzung, die erfüllt sein müssen, damit es nicht in Misshandlung abgleitet.

  • man muss es können
  • das Timing muss stimmen
  • es muss die sanfteste Maßnahme sein, die noch sicher wirkt.
  • die Maßnahme darf keine Schäden zur Folge haben.
  • Die Maßnahme muss geeignet sein, gravierendere Maßnahmen zu vermeiden

Zugegeben, eine korrekte Einschätzung was, wann, wie vertretbar ist, wird nicht immer möglich sein. Die Stärke der Maßnahme muss in einem ausgewogenen Verhältnis zum realistisch erscheinendem Erziehungsziel stehen. Oder anders ausgedrückt: man soll nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen!

Falls eine angedachte Erziehungsmaßnahme (zu) drastisch erscheint, ist auf jeden Fall zu prüfen, ob das Ziel nicht auch dadurch erreicht werden kann, dass man anstelle erzieherischer Maßnahmen mit eher "organisatorischen" Techniken arbeitet. Der angeborene Jagdtrieb des Hundes z. B. ist nur schwer zu kontrollieren. Um einen ambitionierten Jäger vom Hetzen abzuhalten, sind meist recht drastische Erziehungsmaßnahmen erforderlich. Früher - vor dem Anwendungsverbot - wurden solche Hunde häufig mit Elektroimpulsgeräten "weichgeklopft". Bevor diese Geräte auf den Markt kamen, war sogar der sogenannte "Strafschuss" häufig das Mittel der Wahl. Dabei ließ man den Hund bspw. einen Hasen hetzen, und versetzte ihm dann aus einiger Entfernung einen Schuss aus der Schrotflinte aufs Hinterteil. Schmerzhafte, wenngleich meist nicht ernsthafte Verletzungen des Hundes waren die Folge. Nach einigen "Anwendungen" wusste der Hund: Hasen hetzen lässt man besser.

Solche Methoden sind heute aus gutem Grund verboten. Aber mit Leckerchen, Spielzeug oder gut zureden lässt sich ein passionierter Hetzer nun mal nicht von seiner Vorliebe abhalten. Ich empfehle, der grausamen Wahrheit heldenhaft ins Auge zu schauen, die Dinge also zu nehmen, wie sie sind. Das heißt: in „gefährlichen“ Gebieten den Hund an die Leine zu nehmen. Denn das ist häufig die sanfteste Maßnahme, die noch sicher wirkt (siehe oben). Was wären denn die Alternativen? Illegale Methoden, rechtlich und ethisch zweifelhafte Methoden oder unwirksame Methoden!

Natürlich ist es nicht schön für den Hund, angeleint zu sein. Aber wäre eine intensive „Elektro-Behandlung“ besser? Oder ein ewiges, zumeist erfolgloses „Herumerziehen“, das irgendwann doch an der Leine endet? Ich glaube, dass es Grenzen in der Hundeerziehung gibt. Manchmal geht etwas einfach nicht, weil die Biologie sich nicht umgehen lässt. Und manchmal wäre einfach der Preis zu hoch. Hier gilt es pragmatisch zu denken!

Hunde sind nunmal keine Maschinen. Sie sind unterschiedlich, haben Charakter, Ecken und Kanten. Und dafür lieben wir sie! Einen rundgelutschten, genormten, charakterfreien All-In-One-Hund will ich jedenfalls nicht. 

Horrido!